Bericht Sumbawanga 11-2018
Zur Vorgeschichte:
Ein Augenarzt für 1,5 Millionen Menschen! Und das für eine Gegend so groß wie Bayern.
Das ist die Situation in der Umgebung von Sumbawanga im Südwesten Tansanias. Seit Jahren lebt und arbeitet dort Steven Maufi als einziger Cataract surgeon in einer Region, die mindestens 6 Augenärzte und weitere 10 Optometristen braucht.
Der Not folgend hat das DKVB seit November 2017 an einem kirchlichen Krankenhaus ein Augencamp eingerichtet, bei dem zweimal im Jahr für 2 Wochen Patienten augenärztlich untersucht und gegebenenfalls auch direkt operiert werden. Zwischen 800 und 1.000 Patienten kommen teilweise von sehr, sehr weit her. Bestürzend sind die zahlreichen und schweren Erkrankungen. Einheimische und deutsche Mitarbeiter arbeiten Hand in Hand, um den Menschen zu helfen.
Gleichzeitig hat das Komitee im April 2018 begonnen, einheimische Mitarbeiter im Bereich der Augenheilkunde auszubilden, um einen ausreichenden Stamm an Personal für eine geplante Augenklinik in Sumbawanga zu haben.
Das DKVB finanziert und unterstützt dieses Projekt und die Ausbildung der medizinischen Mitarbeiter im Bereich der Augenheilkunde, um dem Projekt eine dauerhafte und nachhaltige Perspektive zu geben.
Camp Herbst 2018:
Am 3.November startet das Team mit den AugenärztInnen Beate Müller, Karina Sommer und Karsten Paust, dem ITler Thomas Hagen und dem Bonner Anästhesisten Andreas Viehöfer die insgesamt 36-stündige Anreise nach Sumbawanga. Wir fliegen dieses Mal über Istanbul, dort treffen wir Wolfgang Krell, der das Projekt One Dollar Glasses in Sumbawanga aufbauen soll. Um 3:00 früh treffen wir in Dar es Salaam ein, am Zoll gibt es dann eine böse Überraschung: die 10 Taschen mit medizinischen Verbrauchsmaterialien dürfen nicht importiert werden, weil die entsprechende schriftliche Zusage der TFDA (Tanzanian Food and drug administration) fehlt. Es folgen lange, am Ende fruchtlose Verhandlungen. Man merkt: die politische Lage im Land wird anders. Die Situation für NGO wird nicht einfacher werden.
Am Sonntag um 22:00 kommen wir in Sumbawanga an.
Am Montag morgen nach der Morgenandacht gibt es den (obligatorischen) Rundgang durch das Atiman Hospital, dabei sehen wir auch 3 Räume, die für eine zukünftige Augenambulanz genutzt werden können.
Dann beginnt der Aufbau von Ambulanz und Op, um 11:30 startet der Betrieb, wir sehen die bekannten, teilweise erschreckenden Krankheitsbilder. Unterstützt werden wir vor Ort von den beiden Cataract surgeon Steven Maufi (Sumbawanga) und Eric Msigomba (Ilembula) und ihren Op-Schwestern.
Eric Msigombas Hilfe vor Ort ist herausragend. Wir sehen u.a. 3 Kinder, zwei mit traumatischer Cataract, eines mit frühkindlicher Cataract aus der Blindenschule Malangali. Wir planen die ersten Operationen für den Folgetag. Täglich werden in dieser Woche zwischen 30 und 35 Augen operiert. Das Augen Camp ist 2 Wochen vor Beginn am Ort und in der Umgebung angekündigt worden (Aushänge, Gottesdienste). In der Woche vor dem Camp haben sich bereits 600 Menschen zum Screening registrieren lassen. Die Namen konnten vorab schon in das neue Praxis-Verwaltungsprogramm Duria importiert werden, was die Patientenannahme während des Camp enorm erleichtert hat. Entscheidend dabei: für den Patienten muss eine Nummer generiert werden, die ihn durch den gesamten Behandlungsprozess begleitet. Name und Geburtsdatum sind keine zuverlässigen Parameter, mit denen eine Zuordnung möglich ist.
Am Ende des ersten Tages sind 202 Patienten gesehen.
Ein 11 jähriges Mädchen hat am rechten Oberschenkel eine Brandverletzung, die über 4 Tage nicht versorgt wurde und sich jetzt superinfiziert hat. Das Kind entwickelt Fieber, die Amputation ist am Folgetag geplant.
Dienstag, 6.11., ein Kind mit einem beidseitigen Retinoblastom schicken wir nach Dar es Salaam (Muhimbili). Die Sprechstunde dauert bis 22:30, dann Abendessen, danach muss der Op Plan des Tages korrigiert und der für den Folgetag erstellt werden.
Am Mittwoch treffen wir uns mit Schwester Yasinta (Krankenhausleitung), Marcus Strotkötter (interplast) und dem AMO Keneth. Yasinta legt einen professionell erstellten Plan einer zukünftigen Augenklinik auf dem Gelände des Atiman Hospitals vor. Mittelfristig soll eine Augenklinik gebaut werden, bis dahin sollen Mitarbeiter im Bereich der Augenheilkunde ausgebildet werden.
Am Donnerstag fordert die TFDA als weiteres Dokument einen Letter of exemption vom Atiman Hospital. Obwohl der Bestand an Intraokularlinsen langsam ausdünnt, können 6 Kinder / 8 Augen operiert werden. Heute ist um 22:00 Schluss.
Freitag, 9.11., ein 17-jähriger Junge kommt mit einem stumpfen Bulbustrauma durch die Begegnung mit dem Horn einer Kuh. Äußerlich gibt es eine kleine Risswunde unterhalb der Braue und eine verhältnismäßig geringe Lidschwellung. Der Bulbus selbst ist geborsten, das Auge ist nicht zu retten, muss entfernt werden, ein Offenbarungseid. Am Mittag trifft unser Gepäck in Sumbawanga ein – wir können „sorgenfrei“ in die kommende Woche blicken.
In dieser ersten Woche sind mehr als 120 Operationen (30, 30, 31, 36) durchgeführt und ca 670 Patienten untersucht worden.
Abends trifft Raimund Balmes ein, sein Taxifahrer bringt mich morgen nach Mbeya.
Samstag: Sumbawanga on TV. Ein tansanisches Fernsehteam macht Aufnahmen und Interviews über das Projekt. Das Team macht noch eine Vormittagssprechstunde, dann geht es Richtung Katawi National Park. Wenn es die Zeit erlaubt, werden Ausflüge in die Umgebung gemacht. Die Kosten tragen die Teilnehmer selbst, so wie sie auch sämtliche Kosten für das Camp tragen (Reisekosten, Übernachtung, Verpflegung etc.). Ich selbst begebe mich auf die Rückreise nach Deutschland – sorgenfrei, weil ein tolles Team die weitere Arbeit vor Ort erledigt. Am Ende sind knapp 900 Patienten untersucht und 180 Augen operiert worden.
What`s next – sustainability:
Ab 2019 soll die Auswahl der Patienten vor Ort durch lokale Mitarbeiter (ophthalmic nurses) erfolgen. Damit kann dann eine gezieltere Hilfe wirklich bedürftiger Menschen ermöglicht werden. Die Erfahrung zeigt: Je länger ein Camp dauert, desto eher nehmen auch Patienten unsere Hilfe in Anspruch, die sich eine Behandlung durchaus leisten können. Wir werden mit dem Hospital überlegen, welche Lösung sich dafür findet. Am Ende sollen sich selbst tragende Strukturen geschaffen werden.
Ausbildung: Eine tansanische Kollegin macht aktuell ihre Ausbildung zur Cataract Operateurin. Sie beendet diese Ausbildung 2020 und steht dem Hospital dann zur Verfügung. Am Beginn ihrer Zeit wird sie Hilfe vom lokalen Operateur Steven Maufi bekommen. Auch wir werden sie in dieser Phase begleiten. Ein weiterer Kandidat startet seine Ausbildung zum Catarct surgeon 2019.
3 Krankenschwestern haben aktuell ihren Kurs zur ophthalmic nurse abgeschlossen. Eric Msigomba wird anschließend eine Vertiefung der Kenntnisse organisieren (Screening, kleine Lidchirurgie, retrobulbäre Injektionen).
Das nächste Camp findet im April 2019 statt.
Die Dinge laufen gut – Danke an alle, die uns unterstützen. Karsten Paust
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